Salonvorstellung: Dirk von Gehlen

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In der dritten Person über sich selber sprechen oder schreiben. Ich kann mich nicht recht dran erinnern, aber ich glaube, das hat vor dem Internet niemand gemacht. Vor dem Internet. Hätte man sich damals überhaupt auf diese Weise mit Identitäten befasst? Länderübergreifend?

Ist egal, weil: Ist vorbei.

Er redet heute selbstverständlich in der dritten Person über sich. Hier oder hier – und so selbstverständlich, dass es ihm manchmal gar nicht mehr auffällt. Deshalb hat er kurz innegehalten und für diese Vorstellung  nach Hilfe gesucht – und bei einem jungen Mann aus Milwaukee gefunden. Dieser hat in seine Twitter-Bio nur das Wort „Enthusiast.“ geschrieben. Das ist schön – und vermutlich auch Ergebnis des Twitter Bio Generators, den joshjs aus Milwaukee erfunden hat.

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Dort kann man so lange auf „Generate“ klicken, bis was Passendes dabei ist. Stets folgt das Ergebnis diesem Ratschlag für die perfekte Twitter-Bio: „Was jedoch auf jeden Fall rein muss sind passende Keywords.

Er selber hat jetzt lang genug rumgedrückt, um mit diesem Zufallstreffer zufrieden zu sein:

Dirk von Gehlen – Analyst. Web fan. Passionate internet enthusiast. Beer fanatic. Twitter expert.

Schlagwörter sind das in jedem Fall, irgendwie positiv und netzaffin. Aber: Gilt das schon als Vorstellung? Als Identität? Gar als Biografie, dieses große Wort, von dem sich die 160-Zeichen-Twitter-Bio abkürzt? Es gilt, die viel bedeutsamere Frage ist aber, ob es reicht. Und das hängt wiederum von den Kontexten ab, in denen Identitäten benötigt werden (Kathrin Passig hat dazu vor zwei Jahren einen lesenswerten Text mit dem Titel Wir-Verwirrung verfasst).

Für den Kontext hier genügt vermutlich, was Google angibt, wenn man nach Dirk von Gehlen fragt:

Arbeitet bei Süddeutsche Zeitung
Besucht Deutsche Journalistenschule
Wohnt in München
steht da. Und irgendwann liefert Google dann auch Zugang zu diesem Text, der sich mit Identitäten und dem Internet befasst. Er stammt aus dem Jahr 2007 – und handelt von zwei Menschen, die beide Dirk von Gehlen heißen:
Die Internet-Suchmaschine macht sichtbar, was früher unbemerkt bleib: dass es irgendwo da draußen jemanden gibt, der genauso heißt wie man selber. Google-Gänger hat das Magazin Newsweek diese digitalen Namens-Doppelgänger genannt, die ohne das weltweite Netz nie von einander erfahren hätten, weil sie meist keine verwandtschaftliche Verbindung zueinander haben. Jeder, der schon mal seinem eigenen Namen in einer Internet-Suchmaschine nachgespürt hat, kennt diesen Moment der digitalen Identitätskrise. Da ist jemand, der genauso heißt wie ich. Die Soziologin Juli Albright von der Universität von Southern California hält diesen Erkenntnisgewinn für lehrreich: „Andere Menschen mit dem gleichen Namen zu finden, versetzt uns in die Lage, uns selbst zu hinterfragen“, sagt sie.
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